Bis ans Ende der Geschichte by Picoult Jodi

Bis ans Ende der Geschichte by Picoult Jodi

Autor:Picoult, Jodi [Picoult, Jodi]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00


Im Dunkeln war ein leises Knurren, fast ein Schnurren, zu hören. Das Schaben eines Streichholzes. Der Geruch von Schwefel. Die Fackel lohte wieder. Vor mir hockte in einer Blutlache ein Mann mit irren Augen und verfilzten Haaren. Blut troff ihm auch aus dem Mund, und Blut klebte an seinen Händen, die einen Fleischbrocken hielten. Ich schreckte zurück und rang nach Luft. Dies war die Höhle in der Felswand, in der Aleks, wie ich von ihm wusste, seine bescheidene Behausung eingerichtet hatte. Ich war in der Hoffnung hergekommen, ihn hier anzutreffen, nachdem er vom Dorfplatz geflüchtet war. Aber das – das war nicht Aleks.

Der Mann – konnte ich ihn überhaupt als solchen bezeichnen? – kam einen Schritt näher. Dieses Stück Fleisch, das er verschlang, hatte eine Hand, Finger. Diese umschlossen noch immer den Knauf eines vergoldeten Stocks, den ich für mein Leben gern vergessen hätte, es aber nicht konnte. Baruch Beiler wurde nicht länger vermisst.

Vor mir verschwamm alles, und mir schwindelte. »Es war kein wildes Tier«, brachte ich mühsam über die Lippen. »Du warst es.«

Der Kannibale lächelte, die Zähne glitschig und rot gefleckt. »Wildes Tier … upiór. Wozu diese Haarspalterei?«

»Du hast Baruch Beiler getötet.«

»Heuchlerin. Kannst du von dir ehrlich behaupten, dass du ihm nicht den Tod gewünscht hast?«

Ich dachte an die vielen Male, die dieser Mann zu unserem Häuschen gekommen war und das Steuergeld einforderte, das wir nicht hatten, und der deshalb meinem Vater Vereinbarungen abpresste, die uns nur noch tiefer und tiefer in die Schulden trieben. Ich sah dieses Ungeheuer an, und mir wurde plötzlich übel. »Mein Vater«, flüsterte ich. »Du hast auch ihn umgebracht?« Als der upiór nicht antwortete, stürzte ich mich auf ihn und setzte meine Nägel und meine Wut als Waffen ein. Ich krallte mich in sein Fleisch und trat nach ihm. Entweder gelang es mir, den Tod meines Vaters zu rächen, oder ich kam bei diesem Versuch selbst zu Tode.

Da schlang sich auf einmal ein Arm um meine Taille und riss mich weg.

»Aufhören«, schrie Aleksander und drückte mich mit seinem ganzen Gewicht zu Boden. Aus diesem Blickwinkel konnte ich die Ketten sehen, in denen die nackten, schmutzigen Füße des upiórs steckten, und den Haufen bleicher Knochen neben ihm. Ich konnte auch die zerfetzten und blutgetränkten Manschetten von Aleksanders Hemd erkennen. Was immer er getan hatte, um sich aus den Seilen zu befreien, mit denen Damian ihn gefangen hatte, es war mit Sicherheit schmerzhaft gewesen.

»Lass mich in Ruhe«, schrie ich. Ich wollte nicht von Aleks gerettet werden, diesmal nicht, nicht, wenn ich dann meinen Vater nicht mehr rächen konnte.

»Hör auf«, bat Aleks, und da wurde mir klar, dass nicht ich diejenige war, die er zu beschützen versuchte. »Bitte. Er ist mein Bruder.«

Ich wehrte mich nicht mehr. Das war Casimir? Der schwachsinnige Junge, den Aleks tagsüber bewachen und den er nachts einsperren musste, damit er nicht aß, was er nicht essen sollte? Nun, bisher hatte ich sein Gesicht nur immer mit der Ledermaske gesehen. Und Aleks hatte mir erzählt, er esse Dinge wie Steine und Zweige und Schmutz, aber keine Menschen.



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